Der Teller vor mir dampft verheissungsvoll. Ein Versprechen liegt in der Luft, gewürzt mit geschmolzener Salbeibutter, warmen Röstaromen und einem Löffeli Kastanienhonig. Mmmh! Das ist mein Moment. Denn ich bin ein Genussmensch. Ich liebe es, zu kochen, neue Rezepte auszuprobieren, mich durch Gewürzregale zu schnüffeln wie ein Trüffelschwein auf Gourmetmission. Die Gnocchi – nein, der Gnocco, denn so heisst ein Einzelner dieser federleichten Klösschen – ruht auf meiner Gabel wie ein kleines Kunstwerk. Ich koste ihn, schliesse kurz die Augen. Samtig. Aromatisch. Genau richtig.

Und doch. Meine Hand tastet fast instinktiv zum Salzstreuer. Mein Laster wurde zum Reflex. Einer Art kulinarischem Händedruck.

Ja, es gibt sie – diese disziplinierten Menschen, die ihr Essen einfach … essen. Ich bewundere sie. Sie sind vermutlich auch jene, welche morgens pünktlich aufstehen, ohne dreimal die Snooze-Taste zu drücken. Die, die ihre Steuererklärung im Januar ausfüllen und nie mit zerknittertem Hemd aus dem Haus gehen. Kurz gesagt: vorbildliche Erwachsene.

Ich kann das nicht. Diese eine Prise macht einfach alles besser. Die Tomatensosse? Braucht noch ein bisschen. Die Ofenkartoffeln? Ohne Frage. Schokolade? Gut, da bleibe ich vernünftig – aber nur, weil Schokolade mit Salzkristallen schon erfunden wurde.

Ich weiss, ich weiss. Salz ist ungesund. Bluthochdruck, Wassereinlagerungen, all das. Aber kann es wirklich schlecht sein, was so viel Freude bringt? Schliesslich zeigen Studien: Wer geniesst, lebt nicht nur glücklicher, sondern auch gesünder. Ein bewusster Bissen, ein kleines Stück Himmel auf der Zunge – all das senkt den Stresspegel, stärkt das Immunsystem, macht das Leben reicher. Man könnte also sagen: Ein zufriedener Magen ist die beste Krankenkasse.

Sicher, weniger Salz ist nur Gewöhnungssache. Man gewöhnt sich auch an eiskalte Duschen, kalorienarme Pasta aus Erbsenmehl und schlecht sitzende Jeans – aber warum sollte man?

Ich will Würze, Intensität, das volle Aroma. Das Leben ist zu kurz für fade Momente. Also streue ich weiter. Eine grosse Portion Genuss – dank einer kleinen Prise Trotz.

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