Und da sitze ich, zwischen Umzugskartons und Luftpolsterfolie, zwischen Staub und Erinnerungen, zwischen vergilbten Notizbüchern und ungebrauchten Pfannenuntersetzern, zwischen Kapitelende und Neubeginn. Zwischen purem Chaos und der frischen Erkenntnis: Ich habe definitiv zu wenig Umzugskisten gekauft. Nie und nimmer bringe ich all unser Hab und Gut für den anstehenden Zügeltag in diese 15 Boxen. Da kann ich stopfen, stossen, stöhnen, wie ich will. Es bringt alles nichts. Was übrig bleibt, wird in alten Einkaufstüten versorgt – nicht praktisch, aber immerhin zügelbar. Und wohin mit allen Kleidungsstücken? Oje! Ich vergrabe meinen Kopf in den Händen. So habe ich mir das nicht vorgestellt, im Gegenteil. Als ich vor rund einen Monat die Kartons besorgte, da hatte ich eine genaue Vision im Kopf. Und in dieser Vision lagen meine Nagellack-Fläschchen bestimmt nicht zwischen der Wanderausrüstung, nein, alles sollte sauber geordnet und gelabelt versorgt werden, Gleiches zu Gleichem. Doch es kam alles anders. Und ich muss mir eingestehen: Nicht die fehlenden Umzugskartons sind das Problem. Auch nicht das Packen auf den letzten Zacken.
Vielmehr die 11 Rüstmesser, von denen ich stets nur das eine benutze. Die 14 Mini-Vasen und die acht geflochtenen Körbe von Trödelmärkten, weil «so hübsche Kleinigkeiten ja nicht schaden können». Die 21 Jutebeutel, sechs roten Farbstifte, 34 Haargummis.
Zu viel. Ich besitze von allem zu viel. Ich bin in die Konsum-Falle getappt und nun muss ich dafür bluten – mitten im Chaos eines Umzugs. Wie komme ich da wieder raus? Klar, einerseits gilt es auszumisten: Weg mit den neun Rüstmessern und 15 Jutebeuteln. Anderseits will ich genügsamer werden. Nach weniger, statt nach mehr streben. «Minimalismus» lautet das zugehörige Zauberwort, welches von Autorinnen und Influencern als asketische Praxis, Pop-Philosophie und Ästhetik zugleich verkauft wird. Entrümpelung und Verzicht sollen aus den Fesseln des Alltags befreien, so das Narrativ. Klingt für mich etwas zu sehr nach privilegiertem Lifestyle-Konzept – schliesslich muss man den Verzicht gegenüber der Fülle auch noch wählen können.
So vor mich hinphilosophierend fällt mein Blick wieder auf das Chaos zwischen den übervollen Umzugskartons. Und ich beschliesse, privilegierter Trend hin oder her, es ist ein Versuch wert: mehr weniger haben.