Ich bin die Nummer 286. Oder auch: noch lange nicht an der Reihe. Ich stehe in der proppenvollen Postfiliale, den Blick auf den Bildschirm vor mir gerichtet. Wartezeit: 16 Minuten. Steht da seit 10 Minuten. Nun gut. Ich lasse mich auf den Lederhocker in der Ecke sinken, der im Laufe der Woche zu meinem Stammplatz geworden ist. Zum dritten Mal bin ich nun hier.

Grund: Die Bestellung Nr. 996000070542038686 ist nie bei mir angekommen. Ärgerlich, befindet sich im Paket doch eine Allwetterjacke, die mich mit über 200 Franken teuer zu stehen kommt. Noch ärgerlicher, weil der Fehler offensichtlich bei der Post liegt. Angeblich soll die Zustellung des Pakets um 1.42 Uhr in der Nacht erfolgt sein – so steht es im Bestätigungsmail, welches mir zugesandt wurde. Doch das ist unmöglich, stellt doch die Post um diese Zeit ganz sicher nicht mehr zu – das bescheinigten mir auch die Schalterangestellten. Sie liessen mich Mal um Mal ein Protokoll ausfüllen, mit dem Kundendienst telefonieren oder Beschwerdemails verfassen. Das Resultat blieb dasselbe: Die Post ist nicht verantwortlich, der Absender ist nicht verantwortlich, niemand ist verantwortlich. Doch das Paket ist verschwunden – und ich soll dafür zahlen. Ungerecht. Offensichtlich. Aber gegen die Protokolle und Formulare scheine ich keine Chance zu haben: Verglichen mit den grausamen Krallen des Papiertigers verkommen meine Beschwerderufe zum Zähnefletschen einer Babykatze.

«Da kann ich nichts machen, da sind wir nicht verantwortlich», sagt der Angestellte dann auch, als ich nach einer halben Stunde endlich am Schalter stehe. Er schiebt mir ein Formular rüber. «Kann ich denn hier mit niemandem richtig sprechen?!», rufe ich. Ins Leere. Frustriert verwerfe ich die Hände, gleichgültig schiebt er sich die Brille vor die Augen. Ich stapfe aus der Filiale, als mich plötzlich jemand am Arm packt. Eine junge Pöstlerin, sie guckt verstohlen nach rechts und links, reicht mir einen Zettel. «Versuchen Sie es mal hier», sagt sie und ist schon wieder verschwunden. Verblüfft sehe ich auf dem Zettel: die Handynummer des örtlichen Postzustellungsleiters. Einen Anruf später habe ich sein Versprechen, sich «um die Sache» zu kümmern. Am Morgen darauf steht das besagte Paket vor meiner Tür. «Irrläufer», steht rot und fett darauf geschrieben.

Ha! Friss das, Papiertiger!

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