Grau. Die Unfarbe hockt dieser Tage hartnäckig über uns, trübt Winterhimmel und Stimmung. Das Grau zieht nirgendwohin. Kommt von überall. Und plötzlich sitzt es in allen Ecken, ohne Anfang und Ende. Asphaltstrassen, Steingärten, Sichtbetonwände, Auspuffrohre, Dienstuniformen, Häuserfassaden, Zigarettenasche, Fabrikhallen, Grabsteine, Mülltonnen. Grau.
Grau gilt seit Ewigkeiten als Symbol für alles Nichtbesondere. Grau geht immer, grau passt zu allem, grau ist effizient. Wer grau wählt, legt sich nicht fest. Wer grau wählt, wagt nicht. Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Das Grauen kann uns alle treffen. Es kommt schleichend – und ehe wir uns versehen sind unsere Träume verwelkt. Ehe wir uns versehen, haben wir die lang ersehnte Reise nie gemacht, finden uns mit der tristen Mietwohnung ab, gehen wir tagtäglich der unbefriedigenden Arbeit nach, bleiben wir in der geringschätzigen Beziehung, verharren wir in einer toxischen Freundschaft.
Und dann? Passiert nichts. Nein, alles geht seinen Gang. Vom schrillen Klingeln des Weckers am Morgen bis zum Einschlafen vor dem Fernsehen am Abend. Vom In-den-Handybildschirm-Starren auf dem Hinweg zur Arbeit bis zum In-den-Handybildschirm-Starren auf dem Rückweg nach Hause. Jeder Schritt ist vorhersehbar.
Nichts gegen Alltagstrott – doch der hier Besagte hat eine stete Begleiterin: die Unzufriedenheit. Sie geht Hand in Hand mit uns, zieht Schultern und Mundwinkel nach unten, stiehlt uns den Glanz aus den Augen und die Wärme aus dem Herzen. Schlimmer noch: Sie zeigt mit dem Finger auf kunterbunte Lebensformen, verurteilt sie für jene Entscheidungen, die wir selbst nicht gewagt haben zu treffen. Und stattdessen grau gewählt haben.
Grau, wie der Winterhimmel in diesen Tagen. Bis der Wind kehrt. Die Wolkendecke aufreisst. Und anschaulich zeigt: Es muss nicht so bleiben.