Fertig. Fertig. Fertig. Ich bin fertig! Je öfter ich es sage, desto weniger glaube ichs. Dabei steht es schwarz auf weiss auf dem Bildschirm vor mir: «Liebe Chantal – Gratulation! Du hast den Hauptteil der Diplomarbeit und den Multimediateil bestanden. Lass dich feiern.»
Ich lese den Satz. Wieder und wieder und wieder. Bestanden. Bestanden. Bestanden. Meine Ausbildung am MAZ – der Schweizer Journalistenschule ist somit abgeschlossen. In den vergangenen zwei Jahren habe ich gelernt, über Statistiken und Studien zu berichten, eine Story multimedial aufzugleisen und in Archiven zu recherchieren. Ich musste meine eigene Webseite erstellen, mich mit Medienrecht und -ethik befassen und kurze Videos drehen. Ich bin auf alles gefasst. Nur nicht darauf: fertig zu sein.
Fertig. Fertig. Fertig. Statt mir auf der Zunge zu zergehen, lässt mir das Wort den Mund austrocknen. Fertig zu sein macht mich figufertig. Dabei habe ich mich jahrelang auf diesen Moment gefreut. Bereits in der Primarschule wusste ich: «Ich will Journalistin werden.» Jetzt bin ich eine. Und frage mich: «Was für eine?»
Keine, die über Anja Zeidlers vegane Schwangerschaft berichtet. Keine, die weiss, wer bei Real Madrid die meisten Tore schiesst. Keine, die festhält, wie Justin Bieber seinen Schnauz abrasiert. Keine, die die Börsenkursentwicklung des SMI Index verfolgt. Keine, die Bildercollagen mit den süssesten Haustieren der Leser erstellt. Keine, die Titel wie «So trauert die Familie des Mordopfers (†12)» setzt. Keine, die sich dafür interessieren muss, wen Sarah Lombardi momentan datet. Keine, die die neuste Futtereinstreu von Landi in einem bezahlten PR zum Himmel lobt. Keine, die mit knappem Kleidchen am Glücksrad dreht.
Das alles bin nicht ich. Das wusste schon die 14-jährige Chantal. Doch anders als in ihrer Fantasie, bin ich auch nicht die, die über politische Affären berichtet, die Moral von Wirtschaftsunternehmen unter die Lupe nimmt, die vielleicht sogar als Auslandreporterin in Kriegsgebieten stationiert ist. Abenteuerlustig, knallhart, unabhängig: Das war mein Bild von mir als Journalistin. Aber: So bin ich nicht.
Mir das einzugestehen, ist ein Anfang.
Fertig? Bin ich noch lange nicht.