Alberswil Jacqueline Hodel ist ausgebildete Hypnosetherapeutin. Was sie macht funktioniert – davon ist sie überzeugt, dafür steht sie ein. Ein Selbstversuch.

Ich bin angekommen. Dorf 2, Alberswil. Ich stelle den Motor ab. Ziehe die Handbremse an. Kontrolliere meine Tasche – Notizblock, Kugelschreiber, Fotoapparat, es ist alles da. Schaue auf die Uhr – 16.59 Uhr, noch eine Minute bis zum Termin. «Los», denke ich, «will ich rechtzeitig kommen, muss ich mich beeilen.» Ich bleibe sitzen. Mein Herz rast. Meine Hände schwitzen. Mein Atem geht schwer. Verdammt, bin ich nervös. «Dich haut doch nichts so leicht um», haben sie an der Redaktionssitzung gesagt, als ich ihnen von meinem Termin berichtete. Von meinem Hypnosetermin. «Sicher nicht», habe ich geantwortet. Da bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher. Was geschieht hier gleich mit mir? Wie fühlt es sich an, hypnotisiert zu werden? Und werde ich nachher noch die Gleiche sein? Es bringt alles nichts: Will ich Antworten, muss ich da durch. Ich hieve also meine zittrigen Beine aus dem Auto, umrunde das Haus, drücke die Klingel mit der Aufschrift «Hypnose-Hodel». Der Türsummer erklingt, ich atme tief aus. Und trete ein.

Hypnose – Hysterie!

Fester Händedruck. «Ich bin Jacqueline Hodel», sagt sie. Kurze graue Haare, ein Gesicht ohne Kanten – kein Anecken möglich – Jeansjacke mit angeklebten Glitzersteinchen. Erstaunlich normal. So auch der kleine Raum, in dem wir uns befinden. Eine Wand ist in warmem Gelbton gestrichen, da steht ein Pult und ein Bürostuhl. Und in der Mitte eine beige Liege – «bitte nimm Platz.» Ich lasse mich in das weiche Leder sinken, will mich schon fast entspannen, als ich mich wieder daran erinnere, wieso ich hier bin. Hypnose. Hysterie! Mein Blick schweift nervös umher und bleibt an einer Wand hängen. «Certificat of Attendance», «Zertifikat Sporthypnose», «The Simpson Protocol Advanced bei Hypno School»… Unzählige Diplome, alle innerhalb von drei Jahren gemacht. Ursprünglich hat Jacqueline Hodel Koch gelernt, heute arbeitet sie im Büro. Aber nicht mehr lange. Sie hat gekündigt. In Zukunft will sie sich voll und ganz auf ihr Geschäft mit der Hypnose konzentrieren. Aber wie kam sie dazu?

In dieser Liege wurde ich von Jacqueline Hodel hypnotisiert. Foto bos

Fragen über Fragen

«Begonnen hat alles vor einigen Jahren mit einer Rückführung in die Kindheit», erzählt Jacqueline Hodel. Damals habe ihr eine Hypnosetherapeutin geholfen, mit einigen Dingen fertig zu werden. «Die vielen Möglichkeiten und der schnelle Erfolg beeindruckten mich.» Ein wenig später habe sie durch Selbsthypnose und mit Hilfe einer Hypnosetherapeutin ihr Essverhalten ins Visier genommen. «Die Hypnose hat geschafft, was zuvor keine Diät fertigbrachte.» Sie nahm ab. «Ich war schon immer überzeugt von der Methode, aber das war für mich der endgültige Beweis.» Zuerst besuchte sie eine zweiwöchige Hypnoseausbildung in Darmstadt. Viele weitere Seminare folgten. «Jeder kann Hypnotiseur werden», sagt sie. Vor Scharlatanen hat sie trotzdem keine Angst. Denn wirklich funktionieren würde die Technik nur, wenn die innere Überzeugung stimme. Diese müsse auch beim Kunden da sein: Die Hypnose funktioniert nur, wenn er oder sie auch bereit dazu ist. «Bist du bereit?», fragt sie mich. «Nein!», schreit mein Kopf, «ich hätte da noch zwei, drei Fragen», sagt mein Mund, «nur zu», entgegnet mein Gegenüber.

Die Trance erreichen

Wir kennen die Situation vermutlich alle: Wir setzen uns zu Hause ins Auto und kommen am Ziel an, ganz verwundert darüber, dass wir schon da sind. Man baut zwar keinen Unfall, ist aber trotzdem irgendwo anders mit seinem Kopf. «Im Grunde genommen ist das genau der Zustand, den man in der Trance auch erreicht», erklärt Jacqueline Hodel. Ich bin also nicht bewusstlos? «Nein, du hörst alles, du kannst mit mir sprechen und dich bewegen.» Und danach könne ich mich an alles erinnern und wisse genau, was passiert ist. Ich werde also auch keine Geheimnisse ausplaudern? «Nein – wenn ich dir eine Frage stelle, die du nicht beantworten willst, so wirst du das auch nicht.» Ausserdem lasse sich die Hypnose beenden, sobald ich mich unwohl fühlen sollte. «Aber», wendet Jacqueline Hodel ein, «es gibt Gefühle und Empfindungen, welche vielleicht nicht so angenehm, jedoch für die Verarbeitung wichtig sind.» Alles klar. «Du siehst: Das Einzige was passieren kann, ist, dass du während der Behandlung einschläfst.» Klingt harmlos. «Also, bist du bereit?», fragt Jacqueline Hodel. «Ja», antworte ich und diesmal meine ich es auch so. «Willst du etwas Bestimmtes behandeln lassen?» Ich verneine. «Dann probieren wir es mit einer Entspannungs-Trance – dabei musst du nur antworten, wenn ich dich etwas frage – ansonsten musst du mir einfach nur genau zuhören und meinen Worten folgen.»

«Ih und uis»

Jacqueline Hodel fragt: «Chantal, darf ich dich hypnotisieren?» Nach der Zusage legt sie los. Einatmen. Ausatmen. Oder wie es Jacqueline Hodel mit ihrem Nidwaldner Dialekt sagt: «Du schnuifsch ruhig ih und uis.» Ih und uis. Ih und uis. Immer wieder: Ih und uis. «Und währendem du dich auf die Atmung konzentrierst, spürst du bereits, wie du ruhig wirst und dich wunderbar entspannen kannst.» Ih und uis. Ih und uis. Konzentration. Ih und uis. «Und du merkst, wie sich dein Körper entspannt, dein ganzer Körper entspannt sich, mehr und mehr, mit jedem Atemzug.» Tatsächlich! Ich bin angenehm entspannt. «Du hörst nur auf meine Worte.» Und mit jedem ihrer Worte soll ich es noch mehr genies­sen. Immer ruhiger und entspannter werden. Jetzt werde sie dann auf drei zählen. Dann soll ich die Augen öffnen und auf den Fingerring in ihrer Hand schauen, die sie mir vor das Gesicht halten werde. Als sie von dem «Zauberfingerring» spricht, runzle ich leicht die Stirn. «Eins, zwei, drei», zählt sie und ich öffne schnell die Augen und starre konzentriert auf den silbrigen Ring an ihrem Finger vor meinem Gesicht. «Und währendem du dich auf den Ring konzentrierst, entspannst du dich noch mehr, werden deine Augen schwerer und schwerer und nun schliesst du sie wieder.» Gesagt, getan. Wie ich mich fühle? Entspannter geht nicht mehr – denke ich und werde immer wieder eines Besseren belehrt. Das Prozedere mit dem Ring wird x-mal wiederholt. Als sich mein Körper anfühlt, als könne er sich nicht mehr bewegen, brächte ihn nichts, aber auch gar nichts mehr aus dieser Liege, da soll ich die Umgebung wechseln. In meinem Kopf zumindest – denn so soll ich mich nicht nur körperlich, sondern auch mental entspannen können. Ich soll mir vorstellen, an einem Sandstrand zu liegen. «Und wenn du an dem wunderbaren Strand angekommen bist, dann kannst du das mit deinem rechten Zeigfinger anzeigen.» Oh ja, denke ich, ich höre schon die Wellen brechen, und hebe wie verlangt meinen rechten Zeigfinger. «Stell dir jetzt mal vor – der Wind, die salzige Luft, die um deine Nase weht.» Perfekt, jetzt fehlt nur noch das Glace. Das gibts natürlich nicht. Dafür weitere Orte, unerwartete Begegnungen – und: noch viel mehr Entspannung.

«Willkommen zurück»

«Eins: Du wirst wacher und wacher. Zwei: Dein Blutdruck, dein Kreislauf und dein Puls kommen in ihren Wachwerte zurück. Drei: Du wirst wacher und wacher. Vier: Jetzt bewegst du deine Arme und Beine.» Bei «Fünf» schlage ich die Augen auf. Und gähne. «Willkommen zurück», sagt Jacqueline Hodel und lacht. Ich bin angekommen. Dorf 2, Alberswil.

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