Und als die Korken aus den Champagnerflaschen knallen, bunte Funken vom Himmel regnen – Applaus-Applaus für viel verpufftes Geld – schliesse ich die Augen und sinniere: Ich werde meinen Bauch trainieren, keine ganzen Schoggi-Tafeln mehr auf einmal verdrücken, dreimal am Tag die Zähne putzen, das Chaos in den Schubladen unter meinem Bett beseitigen, das Essen nicht immer nachsalzen, mit dem Velo zur Arbeit fahren (welches Velo?), meine innere Balance finden, Bücher nur noch in Originalsprache lesen, den Wirtschafts-Teil in der Zeitung nicht mehr unbeachtet lassen.
Neues Jahr, neues Ich: schöner, schlauer, besser. Applaus-Applaus, Korkenknallen und volle Gläser. Kater am nächsten Morgen. Ich setze meine Vorsätze in die Tat um – ab morgen dann. Grosses Indianerehrenwort!
Denkste! 36 Wochen nach Silvester. Die Bilanz ist ernüchternd. Jeder ungeknetete Zopfteig ist straffer als mein Bauch, unter meinem Bett existiert ein rechtsfreier Raum und der Wirtschaftsteil der Zeitung ist nach wie vor so aufregend wie die Fassade der Kanti Willisau (grau in grau mit grau). Alles beim Alten also. Wieso bin ich nicht fähig, meine Vorsätze einzuhalten? «Wer will, der findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe», schreibt eine Facebook-Freundin (13) in ihrem Status. Ähä. Ich finde weder das eine noch das andere. Und wieder frage ich mich: wieso?
Gefunden! Eine Liste darüber, was es bei Vorsätzen zu beachten gibt. Punkt 1: «Neujahr ist nicht der richtige Zeitpunkt.» Wusst ichs doch! Der Autor schreibt: «Der Fokus liegt an Neujahr ganz woanders.» (Bei vollen Gläsern.) «Lass ihn dort!» (Na hallo Brummschädel). Ja aber wann ist er dann, der richtige Zeitpunkt? Auch darauf gibt es eine Antwort: «Immer, nur nicht an Neujahr.» Es sollte kein besonderer Tag sein, zu jedem Zeitpunkt könnten gute Vorsätze gefasst werden.
Gut. Ich nehme mir vor, mir nie mehr etwas vorzunehmen. Nie, nie mehr. Ausser vielleicht das mit dem Bauchtraining.
Aber das kann bis morgen warten.