In Daiwil entsteht ein neues Projekt: Mit «FeldFreunde» planen Kira und Roman Hurschler, ihren Biohof ab 2025 in einen Ort für Solidarität, Gemeinschaft und nachhaltige Landwirtschaft zu verwandeln.

Im «Gjätt osse» gibt es sie noch, diese Orte, diese raren Fleckchen Erde, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, wo zwar kaum Autolärm, aber oft das rhythmische Schlagen einer Axt zu hören ist, wo die Luft im Winter nach Holzfeuer und Siloballen riecht, wo hinter den Fenstern der Bauernhäuser diese zarten weissen Spitzenvorhänge hängen. Wo die Welt noch in Ordnung scheint.

Wer in Daiwil von der Hauptstrasse abbiegt, vorbei am Stockerhof, Neuhaus, Huberhüsli, Sagenmättli, Sagen-Neuhaus, Stampfli, Chli-Chlösterli, Gross-Chlösterli, der findet so einen Ort: den Bio-Hof Fluh, mit Aussicht über das Luzerner Hinterland bis in den Jura. Im zweiten Stock des Bauernhauses wohnen Roman Hurschler, 28-jährig, gelernter Maurer und Landwirt, und Kira Hurschler, 32-jährig, ausgebildete Psychotherapeutin, mit Sohn Julian, 2-jährig, einem Wirbelwind. Die kleine Familie hat eine grosse Vision. Sie wird dieses Frühjahr den Verein «FeldFreunde» gründen und mit dem Anbau von Gemüse starten – dies nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft, kurz «SoLaWi» (siehe Kasten).

Das Kennenlernen

Selbstgebacken? «Selbstverständlich», sagt Kira Hurschler. Auf dem Tisch stehen drei Teller, je mit einem grosszügigen Stück «Donauwelle» drauf. «Kaufen kann man diesen in der Schweiz leider nicht.» In Deutschland, wo sie herkommt, ist der Kuchen eine beliebte Spezialität. Kein Wunder: Das Dessert zergeht einem auf der Zunge.

Kira und Roman Hurschler haben sich vor fünf Jahren beim Reisen in Australien kennengelernt: «Als sich diese hübsche Frau im Reisebus neben mich gesetzt hat, gab ich mir alle Mühe, schön Hochdeutsch zu sprechen», erinnert sich Roman Hurschler und lacht. Er erzählte ihr von der geplanten Hof-übernahme 2026 – gemeinsam diskutierten sie bereits damals über verschiedene Formen der Landwirtschaft. «Romans innovativer Geist und seine Naturverbundenheit haben mich beeindruckt.» Denn auch sie habe eine enge Verbindung zur Natur: «Schon als Kind habe ich mit meiner Mutter im Garten Gemüse angebaut und liebte es, Beeren und Blüten zu sammeln.»

Die Krebsdiagnose

Nach der Rückkehr aus Australien reiste die junge Frau der Liebe wegen immer wieder in die Schweiz. Im Oktober 2022 gaben sich die beiden das Ja-Wort. Doch es war eine besondere Herausforderung, die das Leben der beiden nachhaltig veränderte – und sie dazu brachte, ihre Leidenschaft für den Gemüseanbau zu entdecken. Die freudige Nachricht, dass Kira Hurschler schwanger war, wurde von einer niederschmetternden Diagnose überschattet: Brustkrebs. «In mir wuchs neues Leben – und gleichzeitig ein Tumor. Diese Vorstellung war kaum zu ertragen», sagt Kira Hurschler und ringt kurz nach Worten. Plötzlich lag das Glück der jungen Familie in einem Zwiespalt: Hoffnung und Schrecken, Lebensanfang und Krankheit, alles auf einmal. Die kommenden Monate waren geprägt von Chemotherapien und Krankenhausaufenthalten. Doch mitten in dieser Zeit der Unsicherheit wuchs auch etwas anderes: ein tiefes Verlangen, das eigene Leben grundlegend zu überdenken. Ernährungsberater rieten Kira Hurschler, verstärkt auf frische, unverarbeitete Lebensmittel zu setzen – basisches Gemüse sollte den Körper stärken. Damit wurde der kleine Garten hinter dem Haus zu einem Ort des Neubeginns. «Das Gemüseanbauen war eine Art Therapie für uns», erzählt Kira Hurschler. «Die Natur gibt einem Beständigkeit», erklärt ihr Mann. «Wenn alles andere im Leben kopfsteht, erinnert sie dich daran, dass es immer weitergeht – mit den Jahreszeiten, mit dem Leben.» Während Julian in Kira Hurschlers Bauch wuchs, begann um sie herum ein neues Leben in Form von Kohlrabi, Zucchini und Tomaten zu spriessen. In stillen Momenten zwischen den Beeten spürten sie eine tiefe Verbundenheit mit der Natur – und die Hoffnung, dass auch für sie alles wieder gut werden könnte. «Der Garten war wie eine Insel in all dem Chaos.» 2022 kam Sohn Julian zur Welt, gesund und munter. Und auch die Haare seiner Mutter begannen wieder zu spriessen– ein sichtbares Zeichen des Neuanfangs.

Die Vision

Was nach der intensiven Zeit blieb, war die Leidenschaft für den Gemüseanbau. «Wenn ich Julian morgens um drei Uhr füttern musste, zog es mich danach oft hinaus zu den Beeten, um die Schnecken von den Pflanzen zu sammeln», erinnert sich Kira Hurschler und lacht. Mit Erfolg. Das Gemüse wuchs prächtig heran – und damit auch eine Idee, die schon länger im Hinterkopf des Paares keimte. Wie wäre es, diese Leidenschaft zu teilen und gemeinsam mit anderen einen Ort zu schaffen, an dem gesunde Lebensmittel und ein bewusstes Miteinander im Zentrum stehen? Der Gedanke wurde zur Vision: Einer Landwirtschaft, die Menschen nicht nur ernährt, sondern verbindet. «Das ist machbar», sind Kira und Roman Hurschler überzeugt. Und entwarfen für den Bio-Hof Fluh ein Solawi-Konzept für den Verein «FeldFreunde». «Das fühlte sich einfach nur richtig an.» Das Prinzip – Menschen zusammenzubringen, um gemeinsam Verantwortung für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu übernehmen – habe sie sofort angesprochen. «Dabei geht es nicht um weniger Arbeit, sondern um eine Aufgabe, die für alle Beteiligten Sinn macht», so Roman Hurschler. «Ich erhoffe mir mehr Planungssicherheit.» Diese gebe ihm wiederum die Möglichkeit, Ressourcen in Kreislaufwirtschaft, samenfeste Sorten und den eigenen Anbau zu investieren. So könnten auch sie von dem Konzept profitieren. Denn, und das betonen die Hurschlers immer wieder: «Die Solidarität gilt für alle.» Das sei ein Grundprinzip, welches sich durch alle Bereiche des Projekts ziehe.

Die Chancen

Im Frühjahr wird der Verein «FeldFreunde» offiziell gegründet, die ersten Beete werden bestellt. Doch für Kira und Roman Hurschler ist das nur der Anfang. Sie erhoffen sich möglichst bald einen harten Kern von engagierten Menschen, der das Projekt trägt, etwa in Form eines Vereinsvorstands. «So wird es nicht nur unser Projekt, sondern eine echte Gemeinschaftsarbeit», erklärt Roman Hurschler. Auch langfristig gibt es bereits Vorstellungen: «Es wäre wunderbar, wenn wir den gesamten Hof auf diese Weise bewirtschaften könnten», sagt Kira Hurschler. Sodass neben Gemüse- und Obstanbau auch Milchprodukte wie Käse, Joghurt, Butter sowie Eier, Fleisch und Honig Teil des Ernteanteils sein könnten. Doch damit nicht genug: Als Psychotherapeutin sieht Kira Hurschler viel Potenzial im Hof, auch für soziale Projekte. So kann sie sich etwa vorstellen, Plätze für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder psychischen Erkrankungen zu schaffen oder Schulklassen praktische Lernerfahrungen auf dem Hof zu bieten.

Doch Schritt für Schritt. Oder «eis noch em andere», wie es Roman Hurschler ausdrückt. Er ist neu Vollzeit auf dem Hof, um sich auf die Betriebsübernahme in einem Jahr vorzubereiten. Kira Hurschler arbeitet zu 60 Prozent im Ambulatorium Wolhusen. «Wir sind gespannt, wo unser Weg hinführt.» Die ersten Schritte sind gemacht. Die Aussicht stimmt. Hier oben sowieso.

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