Die Wolke über mir sieht aus die wie ein Dackel. Das Mädchen links neben mir hat die Nase in ein Buch vergraben. Das betagte Ehepaar rechts neben mir hält Händchen. Zwischen den Bahngleisen vor mir wächst eine Pflanze auf steinigems Untergrund.
Ich warte auf den Zug. Und damit meine ich: Ich warte auf den Zug. Lese nichts, scrolle nichts, höre nichts. Sieben Minuten können ganz schön lang sein, denke ich, und schüttle sofort den Kopf über mich. Wie so oft in letzter Zeit. Wenn ich merke, dass ich zu schnell geworden bin, zu rastlos.
Also übe ich mich in Achtsamkeit. Versuche den Moment wahrzunehmen. Eine jahrtausendalte Praxis. Das Langsamsein ist eine kleine Revolution. Ein Statement gegen die Geschwindigkeit der modernen Welt.
Jedoch ist diese Revolution längst Teil des Systems geworden: Man kann es sich kaufen, das Innehalten. Es gibt Apps, die einem jeden Tag daran erinnern, dass man bitte nichts tun soll – und dafür 9,99 Franken im Monat verlangen. Es gibt Achtsamkeitskits: eine Kerze, ein Notizbuch, ein Glas mit Sand, der irgendwie meditativ rieselt. Alles hübsch verpackt, alles «mindful». Ja, es gibt sogar Bücher mit Titeln wie «In fünf Minuten zur inneren Ruhe». Halt mal inne, aber bitte schnell! Und das ist nicht mal ironisch gemeint. Selbst in der Entschleunigung sollen wir effizient sein.
Achtsamkeit wird uns als Gegenmittel verkauft – gegen die Rastlosigkeit, die wir uns im Kapitalismus eingefangen haben. Und dann wird sie selbst zur Ware, eingepackt in nachhaltige Verpackung mit einem kleinen Lebensbaum-Sticker darauf.
Dabei könnte es doch so einfach sein. Man braucht sich keine Ausrüstung zu kaufen, um endlich nichts zu tun. Sondern einfach mal bewusst auf den Zug zu warten. Denn, wie es eine deutsche Lyrikerin mal so treffend formulierte, «wer warten kann, hat viel mehr Zeit».
Übrigens: Der Dackel ist jetzt ein Elefant.