Grüne Wiesen, holzige Scheunen, schnurrende Katzen. Landidylle. Dann kommt sie auf schwarzen Leder-Heels angestöckelt, der Leopardenprint-Seiden-Mantel flattert in der Frühlingsluft, die klobigen Fingerringe blitzen in der Sonne – und kurz gerät die Welt ins Wanken. Doch Elena Parris ist kein Fremdkörper, sondern hier zu Hause. Ob New York, Berlin oder Paris: «Als Fotografin bin ich oft mitten am Puls der Grossstädte – privat brauche ich meine Ruhe.» Diese hat sie mit ihrem Partner vor zwölf Jahren in Grosswangen gefunden. «Ich glaube, anfangs hielten mich hier viele für arrogant», sagt die Künstlerin und lacht. «Dabei bin ich einfach …», sie überlegt, «… extravagant?» Sie setzt hinter den Begriff absichtlich ein Fragezeichen. «Extravaganz ist leider oft negativ behaftet – für mich bedeutet die Bezeichnung, kreativ, individuell und markant zu sein, bewusst von der Norm abzuweichen.» Oder kurz: «Nicht gewöhnlich zu sein!» Das ist Elena Parris nicht, war sie noch nie.
Glänzende Magazine und absichtliche Dekonstruktionen
Elena Parris wächst in Luzern auf. Bereits als junges Mädchen pilgert sie regelmässig nach Kriens zum Kiosk, weil dieser als einziger die «schönen Heftchen» verkaufte. Stundenlang konnte sie durch die Hochglanzmagazine blättern, mit offenen Augen träumen. Diese Mode! Diese Restaurants! Dieses Interieur! «Ich bin eine absolute Ästhetin, liebe alles Schöne.» Kein Wunder also, dass sie sich nach einem Exkurs in die Architektur leidenschaftlich der Fotografie verschreibt. Sie besucht Kurse der Universität der Künste Berlin und arbeitet an der Seite verschiedener namhafter Fotografen, so etwa mit Helmut Newton. Parris ist an den Filmfestspielen in Cannes engagiert, arbeitet mit Topmodel Markus Schenkenberg und ist für Magazine wie «ELLE», «Amica», «annabelle», «Faces» und viele andere im Einsatz. Doch sie habe plötzlich realisiert: «Das ist nicht mein Weg, ich will kreativ sein, selbst Kunst erschaffen.» Gesagt, getan. Nach vielen Jahren verabschiedet sich Parris von der kommerziellen Fotografie. «Gefunden habe ich dafür jene gestalterische Freiheit, die es mir ermöglicht, Bilder und Themen neu zu sehen und frische Wege der Interpretation fruchtbar zu machen.» Mehr noch: Parris entgrenzt sich als Künstlerin vom Medium der Fotografie. «Mein Schaffen geht über das reine Ablichten hinaus.» Der fotografische Aspekt sei nicht mehr Selbstzweck, sondern ein probates Medium, um Bilder entstehen zu lassen. Die Künstlerin hat dafür einen eigenen Stil entwickelt, die sogenannte Multy-layered-Art-Photographie, wie sie die Technik nennt. Heisst: Elena Parris legt im Fotobearbeitungs-Tool «Photoshop» mehrere Ebenen übereinander, um einen einzigartigen Effekt zu generieren. «Es geht mir nicht mehr darum, die Realität zu kopieren – vielmehr fotografiere ich meine Fantasie, hebe Gesehenes auf eine andere visuelle Ebene.» Sie wolle durch ihre Kunst «ein Fenster öffnen und den Blick weiten».
Schwangere Nonnen und Leute in Trainerhosen
Dies auch durch gezielte Provokation. Dabei kann es zu roten Köpfen kommen, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt: So verbot etwa die Stadt Luzern einst eine Plakatserie der Künstlerin. Die Fotografien, die unter anderem nackte Frauen am Kreuz oder schwangere Nonnen zeigten, hätten an Allerheiligen an 67 Standorten aufgehängt werden sollen. Die Künstlerin klebte daraufhin ohne Bewilligung mehrere Bilder in der Stadt Luzern auf. «Das war eine Nacht-und-Nebel-Aktion!» Elena Parris schmunzelt bei der Erinnerung. «Erstaunlicherweise war das Echo darauf grossmehrheitlich sehr positiv – selbst ein Pfarrer vom Bündnerland kaufte mir ein Bild ab.» Solche Reaktionen würden sie in ihrer Grundüberzeugung bestärken: «Wenn man etwas bewegen möchte, muss man provozieren können – ich ging noch nie den Weg des geringsten Widerstands.» Dazu gehöre, sich an Menschen, Ritualen, Institutionen zu reiben. «Ich rebelliere gerne.» Mehr noch: «Ich kann nicht anders, es gibt nur 0 oder 100.» Der Hang für das Extreme sei tief in ihr verankert. «Der graue Mittelweg ist einfach nicht mein Ding.» Von wegen «Weniger ist mehr», wie heute so oft verkündet werde. «Für mich gilt: Mehr ist mehr!» Sie plädiere insbesondere für mehr Sinnlichkeit: «Es graust mich, wenn ich Leute mit Trainerhosen und Take-away-Essen sehe. Wo bleibt hier der Genuss? Das hat für mich keinen Stil!»
Heiliger Geist und rebellische Prinzessinnen
Ja, Elena Parris ist alles andere als heilig. Trotzdem passt ihr Bild auf der heutigen Front gut zum christlichen Pfingstfest: Die Blütenblätter wirbeln in jenem Rot, das laut Apostelgeschichte auch als Farbe des Heiligen Geistes gilt, wird doch dessen Aussendung mit dem Brausen eines Feuers verglichen. Genau so feurig tanzen die roten Blätter auf rosarotem Grund.
Elena Parris hat die Blumen dafür sorgfältig seziert, drapiert und fotografiert. «Jedes Sämchen sitzt voller Absicht da, wo es ist», sagt sie. «Es sollte nicht einfach ein weiteres Blumenbild werden, wie es auf dieser Welt schon Tausende gibt.» «Flying Princess», nennt die Künstlerin ihr Werk – «Fliegende Prinzessin». Keine brave Prinzessin, das wird mit einem Blick klar. «Nein, die Prinzessinnen meiner Welt strotzen vor Kraft, lassen ihre Gedanken über die Schlossmauern hinweg fliegen.» Sie legen sich dabei vielleicht auch mit dem König an. «So lange, bis sie selbst das Sagen habe», sagt Elena Parris mit schelmischem Glitzern in den Augen. Ist sie es, diese rebellische Prinzessin? Sie lacht, zuckt mit den Schultern. «Ich hätte nichts gegen eine Krone.»