Als Leitartikel erschienen im WB vom 16. Juni 2023.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen? Das haben wir vier Frauen aus der Region am Stammtisch-Gespräch gefragt, das in der heutigen Ausgabe erscheint. Vorweg: Ja, die Teilnehmerinnen sind für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit. Ja, sie sprechen sich für bezahlbare Kindertagesstätten aus. Ja, die Frauen sollen im Alter nicht zu kurz kommen.

Aber Feminismus?

Das Stirnrunzeln, Augenverdrehen und verlegene Lachen, welches auf diese Frage folgte, zeigt: Der Feminismus hat ein Problem. Wenn der «alte weisse Mann» pauschal verurteilt wird. Wenn Menschen ihre Meinung nicht mehr kundtun wollen, weil sie Angst vor Empörung haben. Wenn Gendersternchen Diskussionsrunden dominieren. Dann gibt es nur noch Polemik von Links und Rechts. So verliert der Feminismus weite Teile der Bevölkerung – und damit die Frauenbewegung an Kraft.

Das ist schade, sind wir doch noch lange nicht da, wo wir sein sollten. Ja, die Entwicklung stimmt, der Fortschritt war in den letzten Jahren sicht- und spürbar. Und doch haben wir nach wie vor Gesetze, die ein veraltetes Familienmodell zementieren. Frauen verdienen gesamthaft noch immer 43 Prozent weniger – aufgrund Teilzeitarbeit, und auch, weil sie in Jobs arbeiten, die schlechter bezahlt werden. Etwa in Pflegeberufen. Dabei ist genau diese Arbeit unglaublich wichtig. Oder eine andere Gruppe, die oft untergeht: die der Bäuerinnen. Lebenslang arbeiten sie auf dem Betrieb mit und doch: Eine Pensionskasse haben sie nicht, eine Rente aus der 2. Säule also auch nicht.

Das sind handfeste Tatsachen, die sich ändern lassen. Die sich ändern werden. Durch Menschen, die beharrlich und unerbittlich darauf hinweisen, dass die Arbeit noch nicht getan ist. Die thematisieren, argumentieren, dementieren. Und ja, vielleicht ab und zu provozieren – aber Show nicht vor Inhalt stellen.

So, dass alle, die für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit, bezahlbare Kitas und faire Renten einstehen, auch stolz sagen können:

«Ja, ich bin Feministin.»

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