Frühling. Dann, wenn die Bäume grüne Knospen tragen, ist auch er zurück: der Bärlauch. Gut mit Salz und Butter auf dem Brot, püriert als Suppe, aber vor allem: als Pesto auf der Pasta. Doch das gibt zu tun, merke ich. Seit einer Stunde stehe ich in der Küche, wasche, schleudere, schnibble die grünen Blätter, röste die Pinienkerne, reibe den Parmesan, mixe, schmecke ab, salze nach, bin endlich zufrieden. So. Jetzt nur noch die Pasta. Ich fische eine Tagliatelle aus dem kochenden Wasser. Nein, entscheide ich, die brauchen noch eine Minute.

Eine Minute. Verrückt eigentlich, was sie ausmacht, diese Minute. Ein Minütchen entscheidet, ob man mit einem Menü beeindrucken kann oder nicht. Ob man einen Zug erreicht, oder nicht. Ob man inflagranti erwischt wird, oder nicht. Ob man das Fussballspiel gewinnt, oder nicht. Manchmal entscheidet eine Minute gar über Leben und Tod: Etwa, ob man eine Person reanimieren kann, oder nicht. Eine einzige Minute. 60 Sekunden. 6000 Millisekunden. Irgendwie nichts. Irgendwie alles.

In einer Minute werden auf der Welt 55 Milliarden Wörter gesprochen und 700 000 Gebete. Google erhält minütlich 2,5 Millionen Suchanfragen, Facebook 1,7 Millionen Einträge, auf der Dating-App Tinder wird 1,6 Millionen mal nach links oder rechts gewischt. Es werden 45 632 Liter Wein getrunken, 15,3 Millionen Toiletten gespült und 1,4 Millionen Plastiktüten benutzt. In dieser Minute sterben 111 Menschen, einer davon durch ein Tötungsdelikt, während im Gegenzug etwa 280 Babys das Licht der Welt erblicken. In jeder Minute wird mehr als eine halbe Million Euro in die Entwicklungshilfe gesteckt, zeitgleich jedoch auch über 6 Millionen Euro in die Rüstung. Es werden 150 Millionen Mails versendet, fünf Bücher veröffentlicht, 285 000 Tiere geschlachtet, 4,8 Millionen Fotos geknipst und 59 Hochzeiten vollzogen.

Wahnsinn. All das passiert in einer Minute. 60 Sekunden. 100 Milliarden Wörter werden übrigens in der Zeit weltweit gelesen – dazu hast du gerade beigetragen. Und: ungefähr in der Zeit diese Zeilen gelesen.

Und ich die Nudeln verkocht.

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