«Wenn wir dann mal alt sind», schrieb meine damalige BFF – «beste Freundin für immer» – in ihrer Karte zu meinem 14. Geburtstag. Wenn wir dann mal alt sind, dann feiern wir zusammen Weihnachten in Hawaii. Wenn wir dann mal alt sind, wohnen wir mit unseren Familien ganz sicher im selben Haus. Für «wenn wir dann mal alt sind» gab es unzählige Visionen. Nur nicht, dass es dann kein «wir» mehr geben wird. Was ist passiert? Zehn Jahre. «Der Lauf des Lebens», wie meine Mutter einst sagte, als ich sie auf die mir unbekannte Person in ihrem Fotoalbum ansprach. Aus der besten Freundin ist eine liebe Bekannte geworden. Aus dem «für immer» wertvolle Vergangenheit.
Und diese wertvolle Vergangenheit bewahre ich in meiner Schatztruhe auf. Ja richtig, ich habe meine eigenen Schatzkiste. Als ich sie vor gut 15 Jahren von meinem Hüeti-
Mami zu Weihnachten bekommen habe, war sie mit grünem Samt überzogen, mit Müschelchen besetzt, wunderschön. Zwar mit blauem Samtüberzug, aber ansonsten identisch, war die Schatztruhe, die mein Bruder bekam. So ging es zwischen uns, kaum war Heiligabend vorüber, ganz und gar nicht mehr heilig zu und her. Denn natürlich wollte jeder von uns den tolleren Schatz in seiner Truhe wissen. Wir stahlen Mamis Schmuckbroschen, Papis Schoggistängeli, alles was uns in die Finger kam, um ja den anderen zu übertrumpfen.
Wer gewonnen hat? Ich gebe es zähneknirschend zu: mein Bruder. Er hat tatsächlich jedes Wienerli, welches es wöchentlich vom hausierenden Metzger für uns Kinder gab, statt zu essen in seiner Truhe aufgespart. Monatelang. Hat das gestunken! Meine Mutter war entsetzt. Und ich voller Bewunderung für seinen Ehrgeiz. Das will ich auch sammeln, beschloss ich damals. Keine verdorbenen Wienerli, nein, aber Dinge, so unscheinbar sie auch sein mögen, die gerade wertvoll erscheinen. Gesagt, getan.
Bisweilen sind die Muscheln an meiner Schatzkiste abgefallen, der Samt gerissen. Als ich die ganze Dekoration schliesslich enfernte, entpuppte sich meine pompöse Truhe als einfache Weinkiste aus Holz. Trotzdem beherbergt sie einen grossen Schatz: Briefe, Karten und Zettelchen. Sie berichten vom Lauf des Lebens.