Letzthin habe ich aufgeräumt. Oder eher: versucht aufzuräumen. Denn zwischen einem urähnigen Foto von meinem schiefen Zahnspangengrinsen und einem Schulaufsatz über Sinn und Unsinn von Hausaufgaben kam etwas zum Vorschein, was mich mein Vorhaben im Schnutz vergessen liess: mein rosarotes Freundschaftsbuch. Mit Diddl-Print, versteht sich.

Ganz zuvorderst musste ich etwas über mich selbst schreiben. Alter: 11 Jahre. Haarfarbe: dunkelbraun. Augenfarbe: «ein Gemisch». Lieblingstier: Vogel. Lieblingsfarbe: gelb. Das mache ich nicht gerne: Boden wischen, Streiten, Rechnen, Jäten. Das mache ich gerne: Lesen, Malen, JuBla, Skifahren, Beobachten.

Beobachten. Auch nachdem das Freundschaftsbuch längst wieder versorgt und der Deckel über der Kiste mit all den Erinnerungen verschlossen war, grübelte ich über dieses vergessene Hobby nach. Lachte über den banalen Eintrag. Und beschloss nichtsdestotrotz, es wieder einmal bewusst zu tun. Wie früher, setzte ich mich irgendwo hin. Schaute. Lernte.

Da sind die zwei betagten Leute, die sich so verliebt in die Augen schauen, als ob sie sich zum ersten Mal sehen würden: Er streichelt sanft über ihren Rücken, macht ihr ein Kompliment, welches ihre Wangen rot werden lässt. Da ist der Labrador-Welpe, der seinen eigenen Schwanz zu schnappen versucht. Da ist das Mädchen, das sich bückt und eine achtlos hingeschmissene leere Bierdose im nächsten Mülleimer versenkt. Da ist der kleine Bub, der seine ersten Schrittchen tapst, um gleich darauf wieder rückwärts auf sein dickes Windelpack zu fallen – und trotzdem fast zahnlos vor sich hinstrahlt. Da ist das Glitzern auf dem Wasser, wenn die Sonne hineinscheint. Da ist die Businessfrau, die dem verdutzten Töfflibueb mit zwei Handgriffen hilft, sein Gefährt vom Boden wieder aufzustellen. Da ist der Schmetterling, der von Rot zu Blau, von Blume zu Blume tanzt.

Und da sind ganz viele, die mit dem Handy vor der Nase, den Stöpseln in den Ohren und dem Stress in den Beinen an all dem ungeachtet vorbeilaufen. Wie viel sie verpassen.

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