«Besch e guete Cheib», schreibt er. Einfach so. Ohne Grund. Aus dem Nichts: «Guete Cheib.» Ich lache so laut auf, dass sich die Dame im Zugabteil vor mir umdreht. Es ist Morgen, 06.16 Uhr, und glauben Sie mir: Um diese Zeit ist es mir normalerweise nicht zum Lachen zumute.

Aber heute schon. «Juuujere Cheib du hergolani», haue ich im breitesten Hinterländlerbuuredütsch in die Tasten. Und sende die WhatsAppnachricht zurück ans andere Ende der Welt. Genauer: nach Kanada. Seit bald einem halben Jahr fällt mein Bruder Louis dort Bäume, zählt Lachse und wandert in der Wildnis. Oder so. Ganz genau weiss ich das auch nicht. Wir können das mit dem Ständig-auf-WhatsApp-schreiben nämlich beide nicht so gut. «Du Cheib» – das reicht uns. Normalerweise. Doch plötzlich juckt mir eine Frage unter den Fingerspitzen: «Hesch en Idee, was ech i minere Carte Blanche söu schriibe», tippe ich. Just als ich auf der Böttu-Redaktion eintreffe, blinkt seine Antwort auf dem Bildschirm auf: «D Adventsziit stod vor de Tör.»

Stimmt. Die Adventszeit. Ein Wunder – oder eher: eine Hexerei. Sie verwandelt Leute. Wie sonst lässt sich erklären, dass intelligente Menschen farbig-blinkende Lichterketten an ihr Balkongeländer hängen? Dass sich die knausrigsten Wesen zu einer Spende hinreissen lassen? Dass sich die grausten Mäuse einen farbigen Rentier-Pulli überziehen? Eben.

Aber um die soll es hier nicht gehen. Und auch nicht um die Adventszeit (sorry Louis). Folgende Worte gehen an die Menschen, die sich auch die restlichen 341 Tage getrauen, Farbe zu bekennen. An die, die sich nicht nur in der Adventszeit für eine gute Sache einsetzen. An die, für die Besinnlichkeit nicht nur unter dem Christbaum etwas zählt. An die, die nicht nur an den Festtagen füreinander da sind. An die, die den Tannenbaum nicht nur in der Stube wertschätzen. An die, die auch ohne Fondue Chinoise einen Abend lang am Küchentisch diskutieren. An die, die einander auch aufmerksam zuhören, wenn es nicht um das Weihnachtsgeschenk geht. An die, die auf der Strasse grüssen, auch ohne Glühwein im Blut. An die, die einem bereits morgens um 06.16 Uhr ein Lachen ins Gesicht zaubern, auch vom anderen Ende der Welt aus:

Gueti Cheibe!

6 Responses

  1. Soeben habe ich „e guete Cheib“ gelesen.
    Dein Mami hat es mir gestern Nachmittag vorgelesen. Musste es mir heute nochmals durch den Kopf gehen lassen.
    Hei Chantal, dies ist ja hervorragend geschrieben. Danke.

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