Willisau Martin Barmettler ist neuer Präsident der katholischen Synode des Kantons Luzern. Mit dem WB spricht er über Personalmangel und Jugendförderung. Über Zöllibat und die Stellung der Frauen in der Kirche. Über Gott und die Welt.
Martin Barmettler, glauben Sie an Gott?
Ja sicher. Wäre ich nicht gläubig, so würde ich mich nicht für die Kirche engagieren.
Gab es einen bestimmten Auslöser für dieses Engagement?
Eigentlich nicht. Ich bin katholisch aufgewachsen. Streng katholisch. Das habe ich aber nie als Nachteil empfunden, im Gegenteil. Ich habe nur positive Erfahrungen gemacht. So bin ich der Kirche seit jeher treu geblieben. Nach unserem Umzug nach Willisau engagierte ich mich hier als Mitglied und Präsident im Pfarreirat. Ich rutschte 2009 als gewähltes Ersatzmitglied in die Synode nach, wo ich die vergangenen zwei Jahre als Vizepräsident amtete.
Und nun wurden Sie zum neuen Präsidenten gewählt.
Mir wird vom 100-köpfigen Gremium der Synode das Vertrauen geschenkt. Das ist nicht selbstverständlich und freut mich dementsprechend.
Neben Würde bringt das Amt aber auch Bürde mit sich.
Es wartet Arbeit auf mich, das ist klar. Jährlich führt die Synode im Kantonsratssaal Luzern zwei bis drei Sessionen durch. Ich bereite diese mit der Geschäftsleitung vor und übernehme die Leitung. Das ist meine Hauptaufgabe. Ausserdem repräsentiere ich die Landeskirche an kirchlichen Anlässen im Kanton, bin intern zuständig für eine reibungslose Kommunikation und Koordination zwischen den Fraktionen und Gremien, behalte den Überblick, und so weiter.
Klingt nicht so, als ob Ihnen langweilig werden würde.
Würde ich Ende März nicht pensioniert, so könnte ich das Amt nicht annehmen. So oder so: Es wird eine Herausforderung. Schliesslich will ich meinen Job als Präsident möglichst gut machen.
Und entsprechend entlöhnt werden?
(lacht) Nein, des Geldes wegen lohnt sich das Amt definitiv nicht.
Wieso dann?
Aus Überzeugung. Und natürlich hoffe ich, etwas zur Zukunft der Kirche beitragen zu können. Damit sie auch morgen noch existiert.
Die Kirche von morgen – das ist die Jugend von heute.
Absolut. Wenn wir den Nachwuchs nicht fördern, hat die Kirche keine Zukunft. Das ist eine grosse Herausforderung unserer Zeit.
Wie begegnet die Kirche dieser Herausforderung?
Dafür ist eigentlich der Bischof zuständig. Aber natürlich braucht er die Unterstützung der Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort. Und die Pfarreimitglieder müssen mitmachen und sich einbringen. Als Landeskirche schaffen wir lediglich die Voraussetzungen, dass die Seelsorge so gut wie möglich gestaltet werden kann. Wir gestalten nicht selbst, sondern verwalten und erhalten. Das ist das duale System der katholischen Kirche in der Schweiz mit seinen zwei Führungslinien.
Man könnte aber auch mutiger werden und die Steuergelder vermehrt für die Jugendarbeit einsetzen und weniger für die Verwaltung.
Ganz meine Meinung. Dort sollte man ansetzen. Ich sehe in der Jugendförderung grosses Potenzial. Trotzdem will ich daran erinnern: Bereits heute unterstützen die Landeskirche und vor Ort die Kirchgemeinden Jugendvereine wie die Jubla oder Pfadi finanziell, etwa bei der Ausbildung oder für das Lager. Für das Kantonslager der Jubla im folgenden Jahr ist ein namhafter Betrag budgetiert. Wir freuen uns natürlich, wenn das Zusammenwirken von Jubla oder Pfadi und Pfarrei zu guten Kirchenerfahrungen führt und die Jugendlichen sich so später immer noch für die Kirche interessieren. Was uns jedoch fehlt, sind Leute an der Basis, welche die Zeit haben, die Jugendlichen vermehrt ins Kirchenleben einzubinden.
Personalmangel?
Die Situation ist prekär. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es wird super Arbeit geleistet. Ich bin immer wieder beeindruckt von den Freiwilligen, Katechetinnen, Pastoralassistenten, Priestern usw., die sich mit viel Herzblut für die Kirche engagieren. Davor habe ich unglaublich viel Respekt und es ist mir ein Anliegen, ihnen einen grossen Dank auszusprechen. Aus meiner Sicht bekommen diese Leute an der Basis zu wenig Anerkennung. Dabei wäre es so wichtig, ihr Engagement gebührend wertzuschätzen. Denn es ist Tatsache, dass die Kirche von ihrem Tun getragen wird. Wir sind auf sie angewiesen. Ich wage den Vergleich mit einer Fussballmannschaft: Damit diese Erfolg hat, braucht sie A top Spieler auf dem Feld und B ebensolche auf der Reservebank. Fällt jemand aus, rückt jemand nach. In der Kirche sitzt niemand mehr auf der Reservebank. Selbst wenn ein Spieler angeschlagen ist, ist er gezwungen, weiterzuspielen. Selbstverständlich sind auch absolut fitte Spieler auf dem Feld. Doch weil sie ständig eingesetzt werden – aus Mangel an Nachwuchs – sind sie am Limit. Manche Leute laufen Gefahr, auszubrennen.
Klingt nach einem Teufelskreis.
Ja. Einerseits fehlen die Leute, die die Jugendlichen miteinbeziehen, anderseits wäre Nachwuchs notwendig, um zukünftig zu funktionieren.
Wie lässt sich der Teufelskreis aufbrechen?
Das ist schwierig. Als erster Schritt müssen sich alle, wirklich alle, bewusst sein, dass dieses Problem existert. Ich glaube, es haben noch nicht alle den Ernst der Lage erfasst. Aber eben nochmals: Grundsätzlich ist die Personalrekrutierung- und Ausbildung nicht Aufgabe der Landeskirche, sondern des Bistums. Wir können im dualen System lediglich unterstützen, Geld zusprechen, aber nicht aktiv mitgestalten.
Landeskirche und Bistum – quasi Form und Inhalt. Ist es nicht schwierig, das zu trennen?
Zugegeben: Die Zusammenarbeit ist manchmal eine Herausforderung. Vorallem dann, wenn etwa Kirchgemeinde und Pfarrei nicht harmonieren. Sind sie ein Herz und eine Seele, bietet das duale System viele Chancen, da beide Führungslinien gemeinsam viel bewirken können. Letztlich ist das System ein organisatorisches Gebilde – die Leute machen es aus.
Immer mehr Pfarreien werden zu Pastoralräumen zusammengelegt – ein Beispiel ist der Pastoralraum Rottal. Wieso fusionieren die Kirchgemeinden nicht?
Das kommt langsam. Inzwischen gibt es einzelne Kirchgemeindeverbände. Ein solcher Verband kann die Vorstufe einer Fusion sein. Solche Prozesse brauchen allerdings Zeit.
Wie stehen Sie zur Situation der Frauen in der Kirche?
Für mich persönlich ist klar: Die Frauen sollten gleichberechtigt sein, auch in der Kirche. Und zwar durch alle Ämter. Gäbe es die Frauen in der Kirche nicht, so könnten wir alle Kirchentüren schliessen. Deshalb wäre es wichtig, dass die Frauen auch die gleichen Chancen auf Mitwirkung erhalten wie die Männer. Es gibt keinen Grund, wieso das nicht möglich sein sollte.
Wie zum Zölibat?
Auch da finde ich: Das sollte man schon lange ändern. Es sollte freiwillig sein. Das Zölibat löst viel Frustration aus – gerade bei Männern, die Theologie studiert haben und aufgrund einer Heirat gewisse Funktionen nicht ausüben dürfen, obwohl sie die Fähigkeiten hätten. Unberechtigt – genau wie der Aspekt der Frauen. Aber beides sind halt auch globale Themen. So traurig es ist: Es ist schwierig, sich von der Schweiz aus dagegen aufzulehnen. Natürlich werde ich mich dafür einsetzen. Aber Illusionen mache ich mir keine.
Pessimist?
Eher Realist.
Und sonst: Wie positionieren Sie sich in der katholischen Kirche?
In einigen Kreisen wird meine Haltung in diesem Interview sicherlich als modern bis radikal wahrgenommen.
Und sind Sie es auch?
Radikal? Ich stehe hinter meinen Aussagen. So sollte es sein, eigentlich sollte man darüber gar nicht diskutieren müssen. Für mich ist klar: Am Evangelium gibt es nichts zu rütteln. Der Auftrag der Kirche ist es, dessen Botschaft kundzutun und vorzuleben. Wie und wer das macht, ist nicht so wichtig. Die Kirche muss sich auch an der wandelnden Gesellschaft orientieren, die Sprache des 21. Jahrhunderts sprechen. Das heisst für mich: Ich bin nicht radikal. Ich versuche normal zu sein.