Und wenn sich der Himmel auf die Erde senkt und als Nebel über den Boden schleicht, Sonnenstrahlen golden durch Rostrot und Senfgelb fliessen, wenn Blätter im Winde durch die Strassen tanzen, dann ist er da, leise angekommen zwischen Tag und Traum: der Herbst.
Nass! Kalt! Gruusig! Und überhaupt: Empörung! Ich hör sie schon, die Worte, ich seh sie schon, die zusammengezogenen Augenbrauen der Sommerliebhaber. Aufgebracht suchen sie nach Argumenten gegen den Herbst, den bösen Herbst, der – Überraschung – so ganz anders ist als ihr Sommer. Trocken! Warm! Schön! Und überhaupt: Glace!
Süss. Nicht das Glace. Sondern die ganze Aufregung um eine Jahreszeit, bei der einem die nackten Oberschenkel an den Plastikstühlen kleben bleiben, die Sonnencreme sich im Schweiss auflöst, um zwischen den Schulterblättern bis in die Arschspalten zu rinnen und es zur Grillware weder Härdöpfugratin noch Käsespätzle gibt – Salat, Salat, Salat, Bikinifigur. Sommer halt.
Der Herbst hingegen, oh der Herbst. Goldig! Bedächtig! Wundervoll! Und überhaupt: Eierschwämmli-Sauce! Nicht die Dröhnung des Sommers, nicht die Zumutungen des Winters, weder heiss noch kalt, sondern warm im Wesen. Der Herbst protzt nicht. Die ganze Oberflächlichkeit des Sommers klebt höchstens noch als Kotzfleck neben dem Pool des Fünfstern-All-inclusive-Hotels in Ibiza, #Partysommer auf Instagram. Zurück in der Realität – willkommen im Herbst. Was bleibt einem anders übrig als Besinnung – sie klebt uns mit feuchten Blättern an Schuhsohlen, fährt uns durch Haare und Strickpulli, jagt uns durch Gedächtnis und Geist.
«Aber», werden sie einwenden: die Philosophen unter den Sommerliebhabern. Mit erhobenem Zeigefinger und intelligenten Worten erklären sie mir dann, wieso der Herbst mit dem Sterben gleichzusetzen sei. Weil ja die Vögel verschwinden, weisst du, und die Blätter welken. «Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit», werden sie den Dichter Rainer Maria Rilke zitieren, mit dringlicher Stimme und aufgerissenen Augen. Der Herbst als Mörder, der nur Verfall und Tod bringt.
«Das stimmt», werde ich dann zugeben. «Endlich sind die verdammten Stechmücken tot.»