Dieser Text wurde am 14. Februar 2017 im Willisauer Bote veröffentlicht.

Hildegard Achermann mit ihren Lieblingstieren. Foto Chantal Bossard

Die Hühner sitzen brav auf der Stange, glucken leise vor sich hin, freundliche Blicke aus wimpernlosen, kugelrunden Augen. Im Hühnerstall herrscht Ordnung, Hierarchie und Friede. Als sich die Tür öffnet, ist fertig mit der Idylle: Aufgescheuchte Federdamen gackern aufgeregt, flattern wild umher und lassen ihren roten Kamm erzittern. Ausnahmezustand.

Hildegard «Höudi» Achermann sitzt an einem grossen Holztisch. Die Küche und das Wohnzimmer sind verbunden, die moderne Wohnung im Mehrfamilienhaus in Daiwil ist offen und geräumig. «Ich mag es, wenn alles sauber ist und seinen Platz hat», sagt die 55-Jährige, die als Teilzeitangestellte in der Mensa an der Kantonsschule Willisau arbeitet. «Chaos liegt mir nicht. Ich bin ordentlich, gewissenhaft und zuverlässig.» Farbtupfer bringen die Fasnachtsdekorationen in die aufgeräumte Wohnung: kleine Hühner auf glänzenden Küchenablagen, geringelte Papierketten nebst Familienfotos, bunte Konfetti-Girlanden vor dem grossen, blassgelben Haus. Traditionsgemäss haben die Zünftler das Haus ihrer Meisterin verziert – als Zeichen der Dankbarkeit. Und heuer wohl auch als Zeichen der Erleichterung: Die Zünftler waren froh, als Hildegard Achermann das Meisteramt endlich angenommen hat.

Eine Zünftlerin mit Erfahrung

Immer wieder ist «Höudi» angefragt worden, die Güggalizunft durch die Fasnacht zu leiten. Und sie lehnte ab. «Lange Zeit war ich als Präsidentin des Frauenturnvereins tätig», erklärt sie die Absagen. Sie sei zwar «ab und zue scho betz e Weibu», doch zwei hohe Ämter auf einmal «das wär jo scho chli verrockt.» Den Titel als Präsidentin des Frauenturnvereins hat sie mittlerweile abgegeben – und davon bekamen auch die Zünftler Wind. Im März 2016 klopfen sie einmal mehr an die Tür in der «Aegeten». Wieso so verbissen? «Die Güggalizunft ist fein, aber klein», erklärt Hildegard Achermann, «so bin ich die Einzige, die seit Zunftbeginn mit dabei ist und das Amt noch nicht innehatte.»

Und siehe da: Die langjährige Zünft­lerin sagt Ja zum Meisteramt. Wieso? «Nach mir kommt die nächste Generation», erklärt Hildegard Achermann, «und zuvor muss noch einmal jemand den jungen «Bibalis» zeigen, wos lang geht.» Eins steht fest: So gut sie es sich überlegt hat, so gerne ist Hildegard Achermann für die nächsten drei Jahre Zunftmeisterin der Güggalizunft Daiwil.

Anders als bei anderen Zünften wird die Bekanntgabe des Zunftmeisters jeweils nicht am 11.11., sondern an einem Picknick im Sommer bekannt gegeben. «Es war eine grosse Freude, zu erfahren, dass unser «Höudi» das Oberhuhn für die nächsten drei Jahre sein wird», sagt Paul Fischer, Zunftmeister von 2013 bis 2016. «Sie wird ganz sicher eine würdige Nachfolgerin. Schliesslich ist sie schon seit Anfang an mit dabei.»

Die Fasnacht im Blut

Die Kinder Lukas (29, Landwirt), Kathrin (27, Krankenschwester), Florian (25, Landmaschinenmechaniker) und Daniel (23, Elektriker) sind allesamt bei den «Ringligüüsser» in der Guuggenmusig. «Die Fasnacht liegt halt im Blut», sagt Hildegard Achermann und lacht. Die gebürtige Altbürerin erinnert sich an die eigene Jugendzeit: «Ganz früh am Morgen des Schmutzigen Donnerstags gingen in Altbüron die «6 Göggs» mit einem Lautsprecher um. Da wussten meine zwei Schwestern, mein Bruder und ich: Die fünfte Jahreszeit ist angebrochen.»

Ob Maskenbälle, Strassenumzüge oder Schnitzelbänke: Hildegard Achermann ist als junges Mädchen überall mit dabei. «Mit dem Alter hat dieses Fasnachtsfieber etwas nachgelassen», sagt sie. Nach der Bäuerinnenschule zügelt sie von Altbüron nach Daiwil, gründet eine Familie, arbeitet hier und dort als Teilzeitangestellte und hilft auf dem Hof ihres Mannes mit.

Mehr als eine Zunft

Mit Pauken und Trompeten hält die Fasnacht vor rund 22 Jahren wieder festen Einzug in das Leben von Hildegard Achermann: In Daiwil wird die Güggalizunft gegründet. «Was mit einem dummen Spruch an einem Fest in Willisau begann, endete mit einer kleinen, aber umso prächtigeren Zunft», sagt Hildegard Achermann.

Die Daiwiler Zunft kenne keine Statuten, stundenlange Generalversammlungen oder strenge Verpflichtungen. Wichtig sei stattdessen die Kameradschaft: «Die Fasnacht geht vorbei, der zünftige Zusammenhalt bleibt.» Die bunte Zeit habe die Zünftler jedoch umso mehr zusammengeschweisst. Kein Wunder, schliesslich sind sie über die sechs rüüdigen Tage hinweg andauernd zusammen.

Angefangen beim Schmutzigen Donnerstag: Mit Kaffee und Gipfali stärkt sich die Zunft für die anstehenden Tage. Zum gemütlichen «Zmörgele» in der leer stehenden Scheune von Walter Lüdolf, selbst ein ehemaliger Güggalizunftmeister, ist ganz Daiwil eingeladen. «Das ist ein entspannter Start in eine wilde Zeit.»

Der legendäre Ball

Über die Region hinaus bekannt ist der Güggaliball am darauffolgenden Samstag, heuer am 25. Februar, in der Areggerhalle in Daiwil. «Das ist mein absolutes Fasnachtshighlight», sagt Hildegard Achermann.

Der Güggaliball sei eine Hommage an vergangene Fasnachtszeiten: tolle Tanzmusik, eine friedliche Atmosphäre und viele vollmaskierte Fasnachtsliebhaber. «Dieses Jahr darf ich dank meines Amtes sogar mitfeiern und muss nicht arbeiten wie meine Zunftgespanen», erklärt die Meisterin. «Und eins ist sicher», sagt sie mit leuchtenden Augen, «ich werde Vollgas geben!»

Ausnahmezustand: Wildes Gegacker, fliegende Federn und ein heilloses Durcheinander. Mittendrin: die Meisterin der Güggalizunft Daiwil. Über den Hühnerzirkus lacht sie lauthals. «Eigentlich sind sie ja brave Tiere», erklärt sie, «doch manchmal zeigen sie sich von einer ganz anderen Seite.» Ja, die Güggalimeisterin – sie, die Ruhe und Ordnung sonst so hochhält – macht den Namensvettern in der fünften Jahreszeit alle Ehre.

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